Es ist Mittwoch, 19.30 Uhr . Leise utnerhalten sich die Chormitglieder mit Ihren Nachbarn. Über allen schwebt dezent der Durft von Hustenbonbons «Salbei» fachsimpelt ein Bass mit dem anderen. Präsidentin Maya Willi orientiert, wer das Bett noch hüten muss. «Hach», raunt es durch die lückenhaften Reihen. Die Grippe geht um. Doch noch bleibt ein bisschen Zeit, sich auszukurieren.
Grosser Auftritt naht
Am 7. und 8 März hat der Chor der evangelischen Kirchgemeinde Steckborn seine grossen Auftritte. Seit eineinhalb Jahren bereiten die Sänger sich darauf vor, Stücke aus der Renaissance a cappella zu singen. Kein Orchester, keine Orgel wird ihnen zu Hilfe kommen. «Das ist ein guter Chor, die Sänger sind trainiert», sagt Dirigent Martin Weber aus Frauenfeld. Auch er hat sich erst kürzlich aus dem Bett gewagt. Nun singt er kurz vor und begleitet die Aufwärmübungen am Klavier: «Bobobobobobo. Düdüdüdüdü.» Noch ein Shalom zur Entspannung. Dann zücken die Chormitglieder ihre Singbretter. Es handelt sich um schwarze Unterlagen mit zwei Lämpchen daran, die sich wie Schmetterlingsfühler über den Noten ausstrecken. Chormitglied und Künstler Werner Petraschke hat Singbretter entworfen, Sänger und Schreiner Felix Meier hat sie gebaut. Denn der Chor will in der dunklen Steckborner Kirche singen, untermalt von Lichtspielen und Videoinstallationen, die Künstler Petraschke zur Musik geschaffen hat. Scheinwerfer werden die Kirche in farbiges Licht tauchen, Beamer zum Beispiel Sternenbilder aus dem Weltall an die Wänder werfen.
Matuurarbeit als Kontrast
Die Beamer kann auch Maturand Jovin Langenegger aus Felben-Wellhausen nutzen. Es spielt Elektrobass und hat ein jazzig-rockiges Arrangement für acht Elektrobässe komponiert. Das ist seine Maturaarbeit und Dirigent Weber ist sein Kantilehrer. Sieben Stimmen hat der Maturand selbst eingespielt, sie werden in der Kirche vira Beamer ausgestrahlt. Dazu spielt Langenegger die achte Stimme live. Für die Sänger wird diese musikalische Unterbrechnung eine willkommene Pause sein, um Kraft für den letzten Auftritt zu sammeln. Denn zum Schluss singen sie die «Missa brevis» von Palestrina. Die steht nun auch in der Probe auf dem Programm. Dirigent Weber will das «Agnus Dei» hören. Der Sopran setzt ein. Martin Weber äussert sich ein bisschen kritisch, während ihn ein tiefer Husten beutelt: «Ich weiss, warum ich das an den Anfang genommen habe.» Und dann wird gefeilt geschliffen. «Darf ich den Alt mal haben.» Der Dirigent ruft allen ins Gedächtnis, dass sich der Chor mit Palestrina von seinem Publikum verabschieden wird. Er schäft den Sängern ein: «Der Schluss bleibt im Ohr und das hoffentlich gut.»
Gudrun Enders