(ms) Interessierte aus nah und fern konnten sich am letzten Freitagabend vor Ort ein Bild machen über den Stand der Innenrenovation der evangelischen Kirche Steckborn. Die beteiligten Handwerker der Firmen Gipsergeschäft Kradolfer aus Weinfelden in Zusammenarbeit mit Malergeschäft Füllemann aus Steckborn sowie Holzbau Aeberli-Tschanz aus Homburg, zeigten anschaulich auf, wie und was sich genau bei der aufwändigen Renovation tut. An diversen Stationen wurden die Besucher in die alten Handwerkstechniken und die verwendeten Baumaterialien eingeführt. Später beim Rundgang wurden dann die Arbeiten 1:1 gezeigt und erklärt.
Erneuern der Bockshaut
In einem ersten Schritt wurde im «Estrich» der Deckboden entfernt, damit man sah, in welchem Zustand der obere Deckenbelag, an dem die ganze sichtbare Kirchendecke mit der Stuckatur hängt, ist. Dabei musste man feststellen, dass es stellenweise keine Verbindung zwischen dem oberen Deckenbelag und der Kirchendecke gab. Nachdem auf dem Gerüst die Kirchendecke abgestützt wurle, konnte der obere Deckenbalg sauber entfernt und die Holzkonstruktion - wenn nötig - ausgebessert werden. Was nun folgte, war ein erneuter Aufbau der oberen Deckenstruktur mit verschiedenen Kalkverputzen, die im Nassverfahren in die Holzkonstruktion einmassiert wurde. Wichtig dabei ist, dass es keine Lufteinschlüsse zwischen den einzelnen Schichten gibt. Der Kalkputz wird mit Sand, Kies, Stroh, mit von der Denkmalpflege bewilligten Glasfasern (früher Kälberhaaren) und Gips in unterschiedlicher Zusammensetzung verwendet. Fasern werden zugesetzt gegen das Reissen und Kies respektive Sand gegen den Schwund. Die letzte Deckschicht ist dann die ca. 2 cm dicke Bockshaut, deren Aussehen durch die Verwendung von Stroh im Verputz an die Haut eines Bockes erinnert. Die Trocknungsphase dauert jeweils zwei bis drei Wochen. Bei den momentan unter dem Ziegeldach herrschenden Temperaturen kein Problem für die Materialien, aber für die Handwerker. Rund zwei Drittel sind gemacht und der Holzboden kann anschliessend wieder verlegt werden, wobei noch off en ist, ob eine zusätzliche Isolation eingebaut wird.
Moosbrugger-Stuckatur
In Gruppen von max. 16 Personen konnte man unter die Decke respektive aufs Gerüst steigen. Dort sah man nun deutlich, wie die Decke im noch nicht bearbeiteten Teil 20 bis 30 cm durchhängt. In aufwändiger Kleinarbeit wird Stuckatur und Decke von der Dispersionsfarbe gesäubert, die anlässlich der letzten Renovation 1966/67 aufgetragen wurde. Das Problem ist, dass die darunterliegenden Materialen nicht «atmen» können, was bei den beim Bau verwendeten Naturmaterialien wichtig ist. Mit Dampf wird die Farbe angelöst und mit feinen Pinseln und Schabern sorgfältig entfernt. Einen eindrücklichen Einblick erhielt man auch auf die Stuckatur. Ein Werk der bekannten MoosbruggerStuckateur-Dynastie und auch eine der ersten Kirchen mit Moosbrugger-Stuckatur. Wenn man bedenkt, dass diese Stuckatur im Freiformverfahren direkt an der Decke modelliert wurlen, auf Grund von heute zum Teil noch sichtbaren Handskizzen an den Wänden, ein echtes Kunsthandwerk. Sichtbar wurden auch die bei der letzten Renovation ergänzten Stuckaturen, die meist aus vorgegossenen Ornamenten bestehen.
Es gibt noch viel zu tun
Wer Lust hatte, dem bot sich noch die Möglichkeit zum Aufstieg auf den Kirchenturm, um den Ausblick auf die wunderschöne Gegend von oben zu geniessen. Beim abschliessend offerierten Apero im kühlen Schatten auf dem Kirchplatz wurde dann das erlebte nochmals in gemütlicher Runde diskutiert und man liess es Revue passieren.