(Uo) Aufatmen in der VHS Steckborn: Der Referent, Carsten Mumbauer, Diplom-Theologe, Luzern, konnte dem Stau auf der Autobahn entrinnen und mit nur fünf Minuten Verspätung in Steckborn eintreffen und seinen Vortrag halten. Sein Thema: «In jenen Tagen» (Lk 2.1). Dem Weihnachtsevangelium auf der Spur. Carsten Mumbauer ging es darum, den Geburtsbericht Jesu, wie ihn der Evangelist Lukas erzählt, mit dem Blick einer modernen Interpretation zu betrachten. Also, historische Fragen mit einer theologischen Auslegung zu verknüpfen.
Mit einem sehr schönen Bild von Albrecht Dürer «Geburt Christi» begann Mumbauer zwar seinen PowerPoint-Vortrag, bei dem, im Gegensatz zu dem Deckenfresko Marienkapelle in Costadedio in St. Kassain, bereits Ochs und Esel mit dargestellt sind, was dem Theologen wichtig war, denn sie gehören ja mit zur Weihnachtsgeschichte des Lukas. Wichtiger war ihm allerdings die «Vorgeschichte zur Geburtsgeschichte».
Von Sandro BotticelIi, 1490 dargestellt. Diese beinhaltet die Verkündigung an Maria, dass sie ein Kind, einen Sohn gebären wird. Abwehrend streckt Maria ihre Hand gegen den Engel aus: «Maria aber sprach: siehe, ich bin die Magd des Herrn, es geschehe mir nach deinem Wort». Denn Maria war schon längst aus dem gebärfähigen Alter heraus und in solchen Fällen, sagte Carsten Mumbauer, wenn kein Nachwuchs geboren wurde, habe immer die Frau die Schuld bekommen. Er merkte weiterhin an, dass Lukas in diesem Dialog viel Humor bewiesen habe: «was Gott für möglich hält, ist eben möglich». Vor allem: Maria habe rein aus ihrem Glauben heraus gelebt, die sich «als Magd des Herrn» gesehen habe.
Fakten und Geschichten
Josef macht sich mit Maria nach dem Befehl des Kaisers Augustus auf den Weg: «Es ging aber auch Josef von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in die Stadt Davids, die Bethlehem heisst, weil er aus dem Haus und Geschlecht Davids war». Das war wichtig. Zur Datierung, wann Josef und Maria, diese immerhin hochschwanger, sich auf den Weg machten, dass «die Historiker Erzähler» gewesen waren. Lukas habe aus der Perspektive des Glaubens geschrieben, aber ihm seien auch Fakten wichtig gewesen. Das heisst Lukas habe die Fakten und seine Kenntnisse genommen, um sie erzählerisch geschickt miteinander zu verbinden. Carsten Mumbauer: «Dabei ist er ganz Kind seiner Zeit. Die antike Geschichtsschreibung verpackt Fakten in Narrationen» (Erzählungen). Um ein Beispiel des Referenten zu nennen: Zur Datierung der Geburt Jesu wurde das Leben und Wirken von Kaiser Augustus, den König Herodes und den Statthalter Quirinius in Beziehung zueinander gesetzt. Daraus würde sich das Jahr 4 vor Christus ergeben - allerdings mit einem Fragzeichen versehen, denn so Mumbauer: «Darin besteht keine Einigkeit unter den Historikern».
Kein Platz in der Herberge
Der Weg nach Bethlehem sei «keine Autobahn» gewesen, sondern 140 Kilometer auf sehr schwierigen Wegen durch das Bergland. Entsprechend konnte Mumbauer anmerken, dass der Weg Jesu schon vor seiner Geburt sehr schwierig gewesen sei. Schliesslich erreichen sie Bethlehem - aber, wie wir aus der Weihnachtsgeschichte wissen, «war kein Platz in der Herberge». Maria, obwohl kurz vor der Geburt stehend, musste weiterziehen. An dem Weg, den sie am Wasser entlang gegangen seien, sagte Mumbauer, habe es viele Höhlen gegeben - in einer dieser sei Gottes Sohn geboren worden. Von Geburt an habe es für Jesus existentielle Not gegeben. Bis zu seiner Niederlage am Kreuz. Aber er sei durch sein Leid hindurchgegangen.
Von grosser Bedeutung war für Carsten Mumbauer die Erzählung von den Hirten auf dem Feld, denn die Hirten - die seien wir, das Volk. Und Israel würde sich immer noch als Hirtenvolk verstehen. Die Hirten sorgten für ihre Herde: «und hielten des Nachts Wache über ihre Herde», deshalb erschien es Mumbauer erstaunlich, dass sie alle zusammen den Weg nach Bethlehem gegangen seien: «Und sie kamen eilend und fanden Maria und Josef und das Kind in der Krippe liegend». Gott und Menschen begegnen sich, indem Gott Mensch wird. Aber Lukas habe auch immer vor Augen gehabt, dass der Weg Jesu nach Jerusalem führt, also ans Kreuz.